ISE 2025 – Viel Bewegung, aber wenig Innovation in der Branche

Anfang Februar fand in Barcelona die ISE 2025 statt – die größte internationale Fachmesse für Medientechnik. Als wichtiger Trendscout, Know-how-Träger und Branchenanalyst war das Team von macom selbstverständlich vor Ort, um aktuelle Entwicklungen und Innovationen zu analysieren. Die Messe war ein Erfolg, insbesondere in Bezug auf neue und vertiefte Kontakte. Zwar standen in diesem Jahr keine bahnbrechenden Innovationen im Vordergrund, doch es gab vielversprechende Impulse, vor allem in zukunftsweisenden Bereichen wie Nachhaltigkeit und Mixed Reality. Gerade diese komplexen Themen bieten Raum für weiterführende Analysen und Projekte nach der Messe. Damit zeigte sich die ISE einmal mehr als wertvolle Plattform für Networking und konstruktiven Dialog innerhalb der Branche.

Die Stimmung war insgesamt sehr positiv. Ein spürbarer Aussteller- und Besucherzuwachs im Vergleich zum Vorjahr unterstreicht das anhaltende Wachstum der Messe. Allerdings befindet sich die Branche weiterhin in einem Umbruch: Klassische Pro-AV-Anbieter sehen sich zunehmend mit neuen Wettbewerbern aus dem IT-Umfeld konfrontiert. Gleichzeitig emanzipiert sich die ISE von einer AV-Messe hin zu einer internationalen Technologiemesse, in der Software- und Serviceanbieter eine immer größere Rolle spielen. Während sich die Zahl der Player nicht grundlegend verändert hat, nehmen insbesondere Hersteller mit IT-Hintergrund eine stärkere Marktposition ein. So stehen traditionelle Hardware-Anbieter wie Crestron und Shure in direkter Konkurrenz zu Unternehmen wie Logitech, Yealink oder Neat.

Eine zentrale Rolle spielt Microsoft Teams Rooms, das sich als Standard für Besprechungsräume etabliert hat. Mit einem Marktanteil von über 70 % in Unternehmen und Organisationen ist Microsoft hier der Taktgeber. Von einem Potenzial von 7,5 Millionen Microsoft Teams Rooms weltweit ist erst etwa 1 Million tatsächlich ausgestattet – es gibt also noch großes Wachstumspotenzial.

Topthemen und Trends

Künstliche Intelligenz als dominierendes Thema

Vor zwei Jahren spielte KI auf der ISE kaum eine Rolle – heute prägt sie die gesamte AV-Branche. Es gibt zahlreiche praktische Lösungen, darunter automatische Übersetzungen, Speech-to-Text-Anwendungen auf Displays sowie Speech-to-Speech-Übersetzungen inklusive Barrierefreiheit durch Avatare in Gebärdensprache. Ein weiteres wachsendes Feld ist die KI-gestützte Content-Erstellung. KI durchdringt die AV-Branche umfassend, sei es in Form smarter Kollaborationstools, automatisierter Übersetzungsdienste oder intelligenter Inhaltsproduktion und -verwaltung. Sensoren spielen eine immer wichtigere Rolle bei der Optimierung von Arbeitsumgebungen. Sie ermöglichen eine umfassende Datenerfassung zur Raumüberwachung und Effizienzsteigerung – beispielsweise durch die Kontrolle von CO2-Werten und Raumtemperatur zur Maximierung der Produktivität oder durch Flächenauslastungsanalysen und intelligentes Energiemanagement.

Sicherheit und AV in Leitstellen

Cybersecurity ist ein zentrales Thema – Sicherheitslösungen für vernetzte AV-Systeme rücken in den Fokus. Kontrollräume, Leitwarten und Sicherheitszentren sind dabei ein stark wachsendes Anwendungsfeld für AV-Technik. Zunehmend setzen Leitstellen auf LED-Technologie, die sich mittlerweile als konkurrenzfähig zu bisherigen Lösungen etabliert hat. Gesetzliche Vorgaben und erhöhte Anforderungen an Sicherheitslösungen sorgen hier für eine hohe Nachfrage.

Hybride und virtuelle Meetings

Hardwareseitig finden wir kaum Produktrevolutionen, dafür spannende Entwicklungen, die die Flexibilität und das Nutzungserlebnis verbessern. Beispielsweise ermöglicht ein neues drehbares Display, sich an verschiedene Anwendungen anzupassen. Die größten Entwicklungen finden auf der Softwareseite statt: Microsoft Teams kündigte Speech-to-Speech-Übersetzungen mit einer KI-Stimme an, die in Echtzeit in der gewünschten Sprache spricht. Solche Anwendungen benötigen erhebliche Rechenleistung, weshalb Hersteller zunehmend leistungsstärkere Chips in ihre Geräte integrieren.

Eine interessante Neuerung ist die Möglichkeit für Remote-Teilnehmer, die Kameraperspektive in Meetings selbst zu wählen. Holistische Systeme für virtuelle Meetings entwickeln sich weiter: Google Starline soll noch in diesem Jahr marktreif sein und 1:1-Meetings mit einem dreidimensionalen, gerenderten Modell der Gesprächspartner ermöglichen – eine neue Stufe der Immersion.

Nachhaltigkeit – Fortschritt mit Luft nach oben

Nachhaltigkeit bleibt ein wichtiges, aber noch nicht markttreibendes Thema. Es gibt Fortschritte, beispielsweise energieeffiziente Displays, recycelte Materialien und Lösungen zur Fernwartung von Geräten. Weitere Maßnahmen umfassen längere Garantien, verbesserte Reparierbarkeit und innovative Display-Technologien wie farbige E-Ink-Displays bis A1-Größe, die extrem stromsparend sind. Die brancheninterne Initiative SAVe (Sustainability in AV) ist aktuell noch nicht in Europa aktiv, zeigt aber, dass sich etwas bewegt. Der eigentliche Treiber für Nachhaltigkeit sind jedoch Markt- und Kundenanforderungen – insbesondere die ESG-Ziele, die bei Beschaffungen zunehmend berücksichtigt werden.

Kleine Überraschungen an den Messeständen

Ein neuer Messebereich für E-Sports zeigt, dass sich hier ein Wachstumssegment entwickelt. Kreative und innovative Lösungen wie Drohnenschwärme zur großflächigen Visualisierung von Informationen eröffnen neue Perspektiven für Entertainment, Signage und Sicherheitsanwendungen.

Hochauflösende LED-Technologien haben Projektionen und großformatige Displays inzwischen nahezu vollständig abgelöst. Besonders in spezialisierten Anwendungen wie Kontrollräumen und virtuellen Produktionsstudios setzen sich Professional-AV-Anbieter zunehmend mit ganzheitlichen Lösungen für spezifische Nischenanwendungen durch. Hier bieten sich höhere Wertschöpfungspotenziale und Möglichkeiten zur Differenzierung.

Weitere Entwicklungen im Überblick

Neben den großen technologischen Entwicklungen gab es eine Vielzahl an kleineren Neuerungen, die für die Branche relevant sind:

 

  • All-in-One LED-Wände und großformatige E-Ink-Displays bieten neue Möglichkeiten für Präsentation und Signage.
  • Unified Communications (UC) wird weiter vereinheitlicht, um plattformübergreifende Lösungen zu ermöglichen.
  • Die Nachfrage nach elektronischer Raumakustik steigt stetig.
  • Transparente OLEDs und faltbare, mobile LED-Wände bieten neue Einsatzmöglichkeiten für flexible Displays.
  • Bei Mixed Reality Lösungen zwar wenig Innovationen, aber neue Produkte wie zum Beispiel die 3D-Videobar von Cisco verbessern die Tiefenwahrnehmung in Meetings über VR-Brillen.
  • AV over IP bleibt weiterhin geprägt von proprietären Systemen – der offene Standard IMPX steckt noch in den Kinderschuhen.
  • Smart-Building-Technologien entwickeln sich rasant weiter und integrieren zunehmend AV-Systeme.
  • Erste 8K Displays können beispielsweise für museale Anwendungen bewundert werden, finden aber noch keine konkrete Anwendung in der Breite aufgrund der Peripherie und Zuspieler.

Fazit: ISE als Netzwerkmesse und Trendbarometer

Bei der ISE 2025 lag statt revolutionärer Neuentwicklungen der konkrete Nutzen und die Weiterentwicklung bestehender Lösungen im Fokus. Hersteller präsentieren zunehmend ganzheitliche Lösungen, die jedoch meist auf die AV-Disziplin beschränkt bleiben und die Schnittstellen zum Raum kaum abdecken. Die Planung muss sich stärker an den Anforderungen hinsichtlich Verständigung, Wohlbefinden, Ergonomie und Nachhaltigkeit orientieren. Die Herausforderung besteht darin, die zahlreichen technologischen Bausteine sinnvoll in den Raum zu integrieren und das Rollout-Management zu optimieren.

Die ISE ist und bleibt nicht mit amerikanischen Innovationsmessen wie der CES oder der SxSW vergleichbar. Sie ist dennoch die wichtigste Vernetzungsplattform für die weltweite AV-Branche. Die spannenden Entwicklungen im Bereich IT-Integration, wachsendem Einfluss von KI und verändernden Marktstrukturen können nun in den nächsten Wochen und Monaten mit unseren neu geknüpften und alt gepflegten Kontakten weiter entwickelt werden. Denn auch wenn das „Next Big Thing“ nicht in Barcelona auf uns gewartet hat – die Evolution der Branche schreitet mit gigantischen Schritten voran.