Das sind die relevanten ISE-Trends 2018 – Teil 2

Willkommen beim zweiten Teil der macom ISE-Trends 2018. Dieses Mal beschäftigen wir uns mit den Themen AVoverIP, Digital Reality und LED. In allen drei Bereichen hat sich seit der ISE 2017 einiges getan. Wo vergangenes Jahr Vieles noch in den Kinderschuhen steckte, wurden dieses Mal echte Lösungen präsentiert. Seien Sie gespannt.

AVoverIP: Jetzt fehlen nur noch die Standards für die Interoperabilität

Die diesjährige ISE hat gezeigt: Das Thema AVoverIP ist endgültig im Mainstream angekommen. Zahlreiche Hersteller präsentierten Lösungen für das Übertragen von Audio- und Videosignalen über Standard-IP-Netzwerke. Die versprochenen Vorteile sind verlockend, denn wenn AV-Signale über das Firmennetzwerk übertragen werden können, lässt sich eine separate Infrastruktur einsparen. Das hört sich gut an, aber ganz so einfach ist es leider doch nicht. Denn auch nach der ISE 2018 warten Anwender noch immer auf einheitliche AVoverIP-Standards für eine Interoperabilität. Zudem bleibt die Frage nach der Bandbreite offen. Für die Übertragung von 4K HDR-Signalen mit 60 Hz sind 10 GBit-Netzwerke sinnvoll. Die meisten Firmennetzwerke sind jedoch auf 1 GBit-Bandbreite ausgelegt.

Was hat die diesjährige ISE in Sachen IP-Signalübertragung gebracht? Die HDBaseT-Alliance, die mit HDBaseT over IP einen Standard für 1GBit- bis 10 GBit-Netzwerke entwickeln wollte, gab bekannt, noch einmal zurück ans Reißbrett gehen zu müssen. Hier gab es also nichts Neues. Anders sah es bei der SDVoE-Alliance aus. Diese Gruppierung hat einen zweiten Quasi-Standard auf Basis von 10 GBit-Netzen entwickelt. Zahlreiche Aussteller haben hier funktionierende Lösungen präsentiert.

Allerdings ist die 10 GBit-Bandbreite bei AVoverIP für den Moment noch das Problem. Die meisten Standard-Komponenten aus der IT sind für 1 GBit-Netze ausgelegt. Zudem fehlt es in den meisten Unternehmen noch an der nötigen Infrastruktur. Spezielle Komponenten wie 10 GBit-Switches sind Stand heute noch so teuer, dass sich keine Kosten gegenüber einer HDBaseT-Infrastruktur einsparen lassen. Somit ist eines der Hauptargumente für die IP-basierte Übertragung, der niedrigere Preis, hinfällig. Zudem sind die Produkte unterschiedlicher Hersteller derzeit noch nicht kompatibel zueinander. Ein 10 GBit-System schränkt zudem die Flexibilität und die Skalierbarkeit gegenüber einer 1 GBit-Lösung erheblich ein, da für eine hausweite Verteilung enorme Bandbreiten zwischen einzelnen Switches benötigt werden.

Neben diesem Quasi-Standard für AVoverIP gab es verschiedene Hersteller, die eigene Lösungen für die IP-Signalübertragung präsentierten. Dazu gehörten beispielsweise Crestron mit seinem NVX-System für 1 GBit-Netzwerke, einem Pionier auf diesem Gebiet. Die meisten Lösungen präsentieren sich weitgehend ausgereift. Durch das Fehlen übergreifender Standards legt man sich jeweils auf einen bestimmten Hersteller fest, mit allen entsprechende Vor- und Nachteilen. Zudem ist zu erwarten, dass sich noch auf absehbare Zeit Hybrid-Systeme halten werden, die IP-Übertragung mit HDBaseT-Übertragung kombinieren.

Empfehlung der macom Experten:

Derzeit zeigen sich drei AVoverIP-Ausprägungen am Markt. Welche davon die beste ist, hängt von den eigenen Use-Cases ab:

  • 1 GBit-Systeme: Diese lassen sich relativ einfach implementieren und sind auch als Replacement für Bestandssysteme geeignet. Wenn hier das System passend zum Use-Case ausgewählt wird, dann bekommen Anwender eine gute Lösung. Stand heute ist der größte Vorteil, dass 1 GBit-Systeme in bestehende Firmennetze integriert werden können. Es können Standardkomponenten aus der IT für die Signalverteilung verwendet werden. Das senkt die Kosten maßgeblich. Zwar sind hier für die Übertragung von Audio und Video höhere Kompressionsraten nötig, aber für viele Anwendungen sind diese häufig ausreichend. Eine direkte Integration in Produktivnetzwerke ohne weitere Mechanismen wie z.B. VLANs ist aber auch hier in aller Regel nicht zu empfehlen.
  • 10 GBit-Systeme auf Basis des SDVoE-Quasi-Standards bieten dank der höheren Bandbreite sehr gute Übertragungsmöglichkeiten, besonders wenn beispielsweise 4K HDR mit geringen Latenzen übertragen werden soll. Da die Entwicklung bei der 4K-Auflösung nicht aufhören wird (erste Display-Hersteller hatten 8K-Displays präsentiert) liegt hier voraussichtlich auch die Zukunft. Stand heute bieten diese Netze aber noch keine Kostenvorteile gegenüber HDBaseT-Infrastrukturen.
  • Darüber hinaus existieren einige Speziallösungen für AVoverIP, wie z. B. von EvertzAV oder Lightware. Diese verwenden zwar IP-Technologien als Grundlage. Sie sind aber hinsichtlich bestimmter Parameter stark optimiert und daher proprietär. EvertzAV setzt beispielsweise auf eigene Switch-Hardware. Damit wird zwar einer der wesentlichen Vorteile der IP-Technologie (Standardhardware) aus der Hand gegeben, aber trotzdem ein modernes, hochverfügbares und sehr leistungsfähiges Übertragungssystem für spezielle Anwendungsfälle geschaffen.

Digital Reality: Was sind die Use-Cases?

Mit dem XR-Summit war auch Digital Reality (Sammelbegriff für Virtual, Mixed und Augmented Reality) ein zentrales Thema der diesjährigen ISE. Wurden die digitalen Realitäten in der Vergangenheit häufig nur als Feature für die Gaming-Industrie betrachtet, ist spätestens nach der Messe klar: Die Technologie ist bereit für den professionellen Einsatz im Corporate- und Industrie-Umfeld. Und der Markt wächst. Marco DeMiroz, Mitbegründer des VR Funds, erwartet bis 2025 ein Marktpotenzial von bis zu 107 Milliarden Dollar. Und tatsächlich: Zahlreiche Hersteller sind auf den Zug aufgesprungen. So präsentierte beispielsweise auch Epson verschiedene AR-Lösungen auf seinem Stand.

Wer jedoch auf der Messe das Next Big Thing erwartet hat, der wurde enttäuscht. Wichtige Lösungen wie die HoloLens von Microsoft oder auch die Intel Usix fehlten. Andere Hersteller waren nur als Referenten auf dem XR-Summit vertreten. Wer ausstellte, bei dem standen nicht die reinen Produkte im Vordergrund. Es ging eher darum, mögliche Lösungen zu präsentieren, in denen die VR- und AR-Brillen einen echten Mehrwert bieten.

Anscheinend befürchten viele Hersteller, dass die Anwender noch zu wenig Erfahrungen mit möglichen Use-Cases und deren Nutzen haben. Denn eines hat die ISE gezeigt: Soll Digital Reality in den professionellen Massenmarkt ausgerollt werden, benötigt es weitere Anwendungsmöglichkeiten. Die bestehenden Use-Cases wie beispielsweise DHL mit seinem Einsatz der Google Glass Enterprise Brille sind erst ein Startpunkt. Hier und da gab es interessante Ansatzpunkte. So haben beispielsweise die Firmen VR-On und MatrixWorks VR-Lösungen für kollaboratives Arbeiten präsentiert.

Empfehlung der macom Experten:

Die Technik ist da und sie funktioniert. Jetzt geht es um die Use-Cases. DHL macht es vor. Auch VR-Collaboration ist für die Produkt- und Komponentenentwicklung sehr interessant. Virtuell können dabei mehrere Entwickler an einem Prototyp arbeiten, auch wenn sie sich an unterschiedlichen Standorten befinden. Zudem könnten VR-Meetings nach Videokonferenz und Unified Communication der nächste Schritt in der Evolution von Meeting- und Konferenzsystemen sein. Wir haben ebenfalls schon VR- und AR-Systeme bei verschiedenen Planungsprojekten eingesetzt. Dazu gehören die Showrooms von Porsche auf Sylt und Tennet Virtual Vision sowie die Audi Walking VR Experience. Wo könnten Sie sich mögliche Anwendungen vorstellen? Nutzen Sie Ihre Kreativität und fragen Sie uns. Wir unterstützen Sie bei der Umsetzung.

Nicht mehr nur Bling-Bling: LED ersetzt die Projektion im Konferenzraum

LED war erwartungsgemäß eines der großen Themen auf der diesjährigen ISE. Gefühlt gab es kaum einen Stand, von dem nicht wenigstens eine LED-Videowand die Besucher anstrahlte. Auch Hersteller, die in der Vergangenheit keine LEDs im Portfolio hatten, zeigten dieses Jahr Lösungen. Insgesamt ist dabei die Qualität der Bildwiedergabe und der Mechanik durchweg gestiegen. Dank sinkender Preise und immer kleineren Pixelpitches werden die LED-Wände zudem für neue Anwendungen interessant. So zeigte Samsung beispielsweise eine MicroLED-Wand für Meetingraumanwendungen.

Die Chip-on-Board-Technologie (COB), bei der Gruppen von LEDs auf einzelnen Platinen vergossen werden, war einer der LED-Trends in diesem Jahr. Dadurch sind die LEDs robuster gegenüber Berührung, was sicherlich für Digital Signage-Szenarien und interaktive Anwendungen sinnvoll ist. Zudem haben viele Hersteller die Mechanik der LED-Module vereinfacht. Sie haben ihre Module mit einen Klicksystem versehen, über das die einzelnen Module einfach aneinander gesteckt werden können. In diesen Systemen sind auch die Stromversorgung und die Signalstrecken integriert, sodass auf zusätzliche Patchkabel verzichtet werden kann. Passend dazu bieten verschiedene Hersteller auch Wandhalterung an, sodass Anwender hier im Prinzip Komplettpakete erhalten. Allgemein bieten die meisten Hersteller heute auch LED-Panels mit Frontaccess an. Dabei können die einzelnen LED-Module überwiegend mit magnetischem Mechanismus von vorne aus den Cabinets herausgenommen werden. Im Servicefall vereinfacht das den Komponententausch erheblich.

Empfehlung der macom Experten:

Die Qualität der LED-Module hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Besonders bei Bildverarbeitung und Bilddarstellung haben die Module in der Zwischenzeit einen Stand erreicht, bei dem echte Qualitätsunterschiede nur noch schwer feststellbar sind. Vor der Auswahl für eine LED-Wand sollte deshalb ein direkter Shootout verschiedener Hersteller mit Bezug auf den individuellen Use-Case durchgeführt werden. So lässt sich die beste Lösung für die eigene Anwendung finden. Die COB-Technologie wird sich in den kommenden Jahren zum Trend entwickeln. Sofern die Hersteller ihre Fertigung weiter präzisieren, ist hier zeitnah auch mit qualitativ hochwertigen Ergebnissen zu rechnen.

Nichtsdestotrotz wird COB nur eine Übergangstechnologie zu den MicroLEDs sein. Diese wurden bereits im vorigen Jahr von Sony und in diesem Jahr auch von Samsung präsentiert. Damit können derzeit Pixelpitches von bis zu 0,5 mm erreicht werden. Gepaart mit den sinkenden Preisen werden LED-Wände dadurch interessant für Indoor-Digital Signage- und Konferenzraum-Anwendungen. Das ferne Ziel der Hersteller ist, diese Technologie auch für TV-Geräte im Consumer-Segment zu verwenden. Allerdings wird es unserer Meinung nach noch ein paar Quartale dauern, bis die MicroLEDs wirklich für den Massenmarkt verwendet werden können. Ähnliches bestätigte uns auch Samsung auf Nachfrage. Sie rechnen mit der echten Markteinführung ihrer MicroLED-Lösungen erst ab Q3 2018.

Autor:

Martin C. Wagner, ehem. Marketingmanager bei der macom GmbH