AV-Management und AVoverIP: Trends der ISE 2020 Teil 2

AV-Management und AVoverIP: Wohin führen die Entwicklungen?

Neben UCC waren auch die Themen AV-Management und AVoverIP stark auf der ISE vertreten. Auch hier gab es keine großen Entwicklungssprünge, eher eine stetige Entwicklung der bestehenden Lösungen.

AV-Management-Systeme: Big Data für AV

Insgesamt haben wir dieses Jahr wieder festgestellt, dass die Bedeutung der AV-Management-Systeme zunimmt. Die Systeme werden offener, auch gegenüber Hardware von Drittanbietern mittels Standardprotokollen wie IP, SNMP etc. oder über gut dokumentieret APIs. Immer wichtiger wird dabei auch das Sammeln von Betriebsdaten für die spätere Auswertung. Bei den Weiterentwicklungen waren drei große Richtungen erkennbar.

  • Add-On zum eigenen Produkt: Wie auch letztes Jahr gab es einige Hersteller, die für das Monitoring und das Management der eigenen Produkte ein Management-System angeboten haben. Darüber ist meist die Inbetriebnahme für eigene Devices und Updates möglich. Zudem kann ausgewertet werden, wie die eigenen Devices genutzt werden, wie häufig sie in Betrieb sind usw.
  • Echte Management-Systeme über die Hardware mehrerer Hersteller gemanagt werden kann: In diese Gruppe fallen zum einen Software-Hersteller, die selbst keine Hardware entwickeln, wie AVI-SPL und Utelogy, und Hardware-Hersteller, die ihre Managementsysteme für Geräte von Drittherstellern öffnen, wie Crestron mit seiner XiO-Cloud (allerdings bis jetzt noch ohne Release-Termin für dieses Feature). Die Idee dahinter macht Sinn: Auf dem Weg ins Smart Building sind AV-Management-Systeme die Schnittstelle der AV zum Raum-Management (wobei es bis dahin noch ein weiter Weg ist).
    Interessant in Bezug auf Managed Services ist hier eine Entwicklung von Barco. Die Belgier haben für ihr AVM Overture einige Features sowie ein eigenes Lizenzmodell eingeführt, das keine Endkunden, sondern Service-Provider ansprechen soll.
  • Zur dritten Gruppe gehören Hardware-Hersteller, die für eine Management-Lösung mit IT-basierten Management-Software-Anbietern kooperieren. Dazu gehören beispielsweise Avocor und NEC, die mit UC Workspace zusammenarbeiten. Crestron kooperiert für seinen Residential-Bereich beispielweise mit dem IT-Software-Anbieter Domotz.

Durchgängig konnte man sehen, dass die Kontrollfunktion im Sinne einer Mediensteuerung hinter der Monitoring-Funktion zurücktritt. Management, Monitoring und das Sammeln von Nutzungs-Daten werden immer wichtiger. Offen bleibt jedoch häufig die Frage, was mit den gewonnenen Daten aus dem Monitoring passieren soll. Zum Teil müssen das natürlich die Endkunden beantworten. Sie müssen entscheiden bzw. teilweise überhaupt erst eruieren, wie die Monitoring-Daten in die eigenen Prozesse einfließen sollen. Die technische Seite dieser Frage betrifft aber die Hersteller. Hier geht es um Auswertungs-Möglichkeiten, Export-Funktionen, sinnvolle Dateiformate für die extrahierten Daten und Schnittstellen. Die native Kopplung mit in den Unternehmen bereits vorhandenen Bi-Tools wird dabei einen entscheidenden Faktor spielen.

Bei der Frage: Cloud oder nicht Cloud haben wir den Eindruck, dass sich die Entwicklung hin zur Cloud-Nutzung weiter verbreitet ohne sich final durchzusetzen. Praktisch jeder Hersteller entwickelt eine Cloud-Lösung, manchmal bereits ausgereifter aber teilweise auch noch in den Kinderschuhen steckend. On-Premise-Lösungen werden i.d.R. (noch) parallel angeboten, auch um speziell Kunden mit starker Cloud-Ablehnung ansprechen zu können, was insbesondere im europäischen Raum nach wie vor überwiegend der Fall ist. Mögliche Alternative für die Zukunft sind hier natürlich private Clouds.

AVoverIP: Der bunte Blumenstrauß an Lösungen bleibt bestehen

Beim Thema AVoverIP bauen die Hersteller weiterhin auf die drei großen Standards:

  • Audio-Video-Bridging (AVB) mit seinem offenen Standard, der auf IEEE 802.xxx basiert. Zu den großen Vertretern zählt hier biamp.
  • 1 GBit-Bandbreite mit den Kompressionsstandards JPEG2000 und H.264, die Audio- und Video-Daten sehr bandbreiteneffektiv übertragen, beispielsweise der Hersteller Crestron
  • SDVoE-Allianz mit 10 GBit-Bandbreite, ideal für höchste Qualität und kompressionsfrei Übertragung beispielsweise die Hersteller IDK, Lightware, VuWall etc.

Zusätzlich existieren auch HDBaseT und proprietäre AVoverIP-System (beispielsweise von IHSE oder Barco) parallel dazu weiter. Darüber hinaus hat der Hersteller Audinate ein SDK-Kit für DANTE-Video vorgestellt. Das ist sehr interessant, weil Dante bisher nur für die Übertragung von Audio geeignet war, hier aber durch seine große Verbreitung besonders im Event-Bereich einen Quasi-Standard geschaffen hatte. Bis zur InfoComm 2020 im Juni sind erste Prototypen für Dante mit Video zu erwarten. Hier heißt es abwarten, welche Hersteller aus dem Bereich Audio mit auf diesen Zug aufspringen werden.

Aktuelle Entwicklungen

  • SDVoE mit seinem 10 GBit-Standard verbreitet sich zunehmend. So wurde während der ISE 2020 das 50. Mitglied der Allianz bekanntgegeben.
  • Durch die steigende Marktverbreitung von AVoverIP werden die Komponenten etwas billiger. Das betrifft besonders die SDVoE-Allianz
  • Barco hat mit seinem Enterprise Virtual Matrix ein System, dass zwei Sender und zwei Empfänger nutzt und damit bis zu 20 GBit Audio-Video übertragen kann. Der Hersteller verspricht damit ein kompressionsfreies Übertragen von 4K- und 8K-Signalen oder noch höheren Auflösungen. Das System wurde auf der ISE allerdings nicht gezeigt.
  • Interessant war auch der Hersteller ZeeVee, ebenfalls einer der Gründer der SDVoE-Allianz. Er präsentierte Lösungen mit unterschiedlichen Bandbreiten für verschiedene Einsatzbereiche. Für Echtzeitkommunikation mit höchster Bildqualität ist eine 10 GBit-Bandbreite möglich, für Digital Signage-Anwendungen werden aber auch kleinere Bandbreiten mit H.264- oder JPEG2000-Kompression zur Verfügung gestellt. Spannend dabei ist, dass alle Varianten über ein zentrales Management-System gesteuert werden können.
  • Eine Schwierigkeit stellt immer noch die Interoparabilität zwischen mehreren Herstellern dar. Der kleinste gemeinsame Nenner zwischen den Systemen ist der Schnittstellenstandard TMDS. Das ist die Basis auf der alle Scaler arbeiten und die als Grundlage für die Interoperabilität genutzt wird. Das heißt, dass Interoperabilität immer durch Dekodieren und neuem Encodieren über eine zusätzliche Hardware realisiert wird. Das ist umständlich und teurer. Zudem steigt dadurch die Latenz.
  • Latenz und Livebetrieb: Latenzarme Systeme ermöglichen eine Echtzeitkommunikation und einen Live-Berieb. Problematisch bei Streaming-basierten Systemen ist, dass aktuelle signalverabreitende Systeme oder Content-Systeme nicht wirklich Streaming unterstützen und deshalb die Latenzen der Gesamtsysteme für einen wirklichen Livebertrieb noch zu hoch sind. Eine mögliche Kombination von SDVoE im Bereich Signalübertragung und Contentbearbeitung könnte hierbei ein möglicher Lösungsansatz sein.

Die Qual der Wahl: Wann ist welches System sinnvoller:

Anwender müssen sich zunächst Gedanken machen, was gemacht werden soll. Wie groß soll beispielsweise das System werden? Geht es um latenzfreie Audio-Video-Übertragung bei höchster Bild- und Farbqualität, sind 10 GBit-Systeme Pflicht. Soll die latenzfreie Übertragung zwischen mehreren Gebäuden möglich sein, bietet sich AVB an (besonders, wenn auf die Audio-Qualität wert gelegt wird), bleibt es innerhalb eines Gebäudes ist eher SDVoE sinnvoll. Geht es um Anwendungen, bei denen die Latenz keine Rolle spielt, dann sind 1 GBit-Systeme die kostengünstigere Variante.

Autor: Martin C. Wagner, Marketing Leiter der macom Gruppe

Als macom Fachexperten waren für Sie auf der ISE 2020:
Jens Martin, AV-Senior Consultant und AV-Management-Experte der macomGROUP
Mario Margonari, AV-Senior Consultant und AVoverIP-Experte der macomGROUP